Schweden – Ein Besuch im Wunderland für Bibliothekare

Schweden ist für viele Dinge berühmt, mindestens drei fallen einem auf Anhieb ein: ABBA, Pippi Langstrumpf und Köttbullar. Nicht ganz so berühmt, aber ebenso herausragend ist das skandinavische Bildungssystem und die Implementierung moderner, fortschrittlicher Methoden, um Lernen als das das zu präsentieren, was es sein kann: eine unglaublich spannende Entdeckungsreise für alle Sinne. 2017 verabschiedete die schwedische Regierung die Nationalstrategie „A Digital Agenda“. Bis 2025 soll in ganz Schweden Breitband-Internet zur Verfügung sein und sämtliche Infrastruktur digital abgewickelt werden.

Wie gehen öffentliche Bibliotheken in Schweden mit den Veränderungen um, die sich dadurch ergeben? Die explizite Vorgabe lautet: Büchereien sollen die Bevölkerung bei dieser Transformation unterstützen und Orte der Vermittlung digitaler Kompetenzen sein.

Mit diesem Wissen im Handgepäck startete ich ins 1400km entfernte Mölby, dreieinhalb Stunden westlich von Stockholm.

Mjölby: Digitalisierung schon für die Kleinsten

Einwohner: 12.245

Bei meiner ersten Station in Mjölby – eine Stadt, so groß wie Brunn am Gebirge – erwarteten mich viele Überraschungen. Die Stadsbibliotek war nicht nur mit ca. 800 m² riesig, ich lernte, dass die Ausleihe sämtlicher Medien gratis ist, alle Büchereimitarbeiterinnen angestellt sind, die Bücherei Montag bis Freitag von 9-19h geöffnet ist und selbst in der Schließzeit in bestimmten Bereichen mit der Mitgliedskarte trotzdem benützt werden kann.

So viel Zeit eröffnet ungeahnte Möglichkeiten, vor allem auf dem Sektor Digital carework. Alle Mitarbeiter sind besonders auf die Vermittlung von digitalen Inhalten geschult. Denn manche Entwicklungen gehen auch den Schweden zu schnell. So gibt es zum Beispiel keine physischen Bahnkarten mehr zu kaufen. Wer mit der App dafür Probleme hat, geht in die Bücherei.

Besonders für die Kleinsten gibt es zahlreiche technisch durchaus kostspielige Geräte, die man vor Ort benützen kann, wie ein riesiges Touchpad, 25 Beebots, Programmier-Roboter, Listening-Devices, einen eignen „Kino“-Raum für Kinder und natürlich Standrechner verteilt über die ganze Bibliothek.

Gerade weil der Digitalisierungsfaktor so hoch ist, boomen Zeitschriften. In Mjölby werden etwa 40 verschiedene Tages-, Wochen und Monatsmagazine angeboten, die reißenden Lese-Absatz finden.

Alle Büchereien in einem Verwaltungsbezirk sind außerdem miteinander verknüpft. Das bedeutet nicht nur Austausch von Ressourcen und Ideen, sondern auch, dass man Bücher in der einen Bücherei leihen und in der anderen zurückgeben kann.

Minderheiten, gesellschaftliche Randgruppen, Menschen mit Behinderungen, werden besonders unterstützt.
Es gibt 5 anerkannte Minderheiten-Sprachen in Schweden: Finnisch, Samisch, Tornedalfinnisch, Jiddisch, Romanisch und die schwedische Gebärdensprache Svenskt teckenspråk. Für alle diese Gruppen gibt es Medien in den Büchereien

Skänninge: Eine Multifunktionsbücherei für die älteste Stadt Schwedens

Einwohner: 3140

Skännige ist eine der ältesten Städte in Schweden und deshalb auch ein Touristen-Hotspot. Die Bücherei ist daher gleichzeitig auch eine Info-Zentrale für alle Fragen rund um das Städtchen. Die Standort-Leiterin Sissela Wasén betreibt zusätzlich eine Saatgut-Bibliothek und fördert vor allem die lokale Kunstszene. Auf einer Mini-Bühne stellen monatlich wechselnd Künstler ihre Werke aus. Ein besonderer Service ist der Lesepflaster Dienst. Wer Trost, Ermutigung, Unterhaltung oder einfach Fakten braucht, kann sich an das Büchereiteam wenden, um in allen erdenklichen Lebensphasen Hilfe zu bekommen. Einige schwedische Kolleginnen haben eine Bibliotherapie-Ausbildung absolviert und bieten dieses ungewöhnliche „Lesepflaster“ unentgeltlich an.

Mantorp: Schlangen, Tanz-dein-Buch & Baby-Yoga

Einwohner: 3671

Besonders auf Kinder hat sich das Team in Mantorp spezialisiert. Standort-Leiterin Kristina Johansson veranstaltet wöchentlich für den in der Nähe gelegenen Kindergarten Filmvormittage mit Popcorn, aber auch sehr ungewöhnliche Events wie den Besuch von (echten!) Schlangen und Spinnen in der Bücherei, Tanz-dein-Buch, Baby-Yoga oder Rätselrallyes – natürlich elektronisch!

Linköping: wo man sich Katzen und 3D-Drucker ausleiht

Einwohner: 163.000

Linköping ist eine Universitätsstadt mit entsprechenden Bedürfnissen an die örtliche Bibliothek. So gibt es nicht nur einen futuristischen Bücherbus mit 3000 Medien, der regelmäßig zahlreiche Örtlichkeiten in der Umgebung „abklappert“, sondern auch ganz spezielle – natürlich kostenlose – Möglichkeiten für Jugendliche und Studenten, um nah am Puls der Zeit zu sein. So bietet Linköping die sogenannte DKV (digitale Kreativwerkstatt) an, in der man alles rund um die Themen Ton, Film, Foto, Spiele und VR ausprobieren und (kostenlos) ausleihen kann. Sogar ein eigenes Podcast-Studio Studio kann man niedrigschwellig buchen. Der absolute Renner, verrät mir IT-Spezialist Andreas bei der Führung, ist allerdings eine elektronische Katze. Die ist besonders bei älteren Leuten beliebt, weil sie zwar schnurrt wie eine echte Katze, aber weder Futter braucht, noch aufs Katzenklo muss…