Partnerschaftliche Beziehungen
Partnerschaftsurkunde zwischen der Volksschule Grafenwörth in Niederösterreich und der Grund- und Mittelschule Grafenwöhr in Bayern
Ein Bericht von Michaela Koller
„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen“ (Matthias Claudius‘ Gedicht „Urians Reise um die Welt“ (1785))
Nach diesem Motto machte ich mich mit Erasmus+ im „Gepäck“ auf die Reise von Grafenwörth in Österreich nach Grafenwöhr in Deutschland, genauer gesagt in Bayern. Um die Reise entspannt zu beginnen, fuhren mein Mann und ich schon am Donnerstagabend los. Fünf Stunden dauerte die Fahrt mit unserem Wohnmobil auf der Autobahn und dann endlich hörten wir schon, es kann nicht mehr weit sein. Der amerikanische Truppenübungsplatz gehört zu Grafenwöhr, wie ein Deckel zum Topf und so schliefen wir mit dem Geräusch von Schussübungen ukrainischer und amerikanischer Soldaten ein. Für die Bewohner von Grafenwöhr ist dies Normalität.
Der Freitag begann mit einer guten Tasse Kaffee und einem Weckerl mit Käse und Schinken. Mit Sonne im Rücken fuhr mich mein Mann anschließend zur Grund- und Mittelschule in Grafenwöhr und wünschte mir einen interessanten Tag. Das erste das ich im Schulgebäude sah, war eine Tafel mit unserer Partnerschaftsunterzeichnung. Die beiden Schulen sind seit einigen Jahren Partnerschulen und lernen voneinander immer neue Möglichkeiten kennen, um mit den Schülern über den „Tellerrand“ zu blicken. Grafenwöhr hat durch den Truppenübungsplatz viele amerikanische Bürger und diese wohnen nicht nur am Übungsgelände, sondern auch in der Stadt Grafenwöhr. Die Kinder gehen in die ansässige Schule und so wird hier nicht nur Deutsch, sondern auch Englisch gesprochen.
Nach dem Betreten der Schule wurde ich von der Lehrerin der 4. Klasse Grundstufe, Frau Kerstin Schröder, abgeholt. Sie brachte mich in ihre Klasse wo ich mit einem gemeinsamen „Guten Morgen Frau Koller“ begrüßt wurde und nachdem mich Frau Schröder näher vorgestellt hatte, durfte ich meine Fragen stellen. Daraus entstand eine quirlige Plauderei und die Kinder erzählten mir von ihren Lieblingsbüchern, vom Besuch in der Bibliothek, von den Vorlieben der Dicke der Bücher und von den Wünschen an die Bibliothekarinnen.
Nachdem das alles geklärt war, durften die Kinder Fragen an mich stellen. „Bitte sprechen Sie Österreichisch“, war der Wunsch und dann durfte ich Wörter und Sätze in den Dialekt übersetzen. Ganz zufrieden waren sie nicht, denn der Dialekt war einfach nicht schwierig genug und dem Bayrisch zu ähnlich. 😉
Im Anschluss folgte eine Führung durch das Schulgebäude. Die Lehrkraft erzählte mir vom „Stillen Raum“, in dem Lesepaten, also ehrenamtliche Leseomas, in Kleingruppen den Kindern der ersten und zweiten Grundstufe einmal in der Woche vorlesen durften. Die Kinder hatten mir schon berichtet, dass zusätzlich zu den Vorleseeinheiten das Punktesammeln im Antolin ein wichtiger Aspekt sind.
Frau Schröder zeigte mir die Aula mit den Treppen zur Bühne, die farbigen Gänge (blau für das Obergeschoss, grün für das Erdgeschoss und orange für das Untergeschoss) und egal wo wir hinkamen, überall saßen, knieten und lagen die Kinder auf den Gängen, um ihre Arbeiten still an einem gemütlichen Platz zu erledigen. Das ist Teil des Konzeptes der Schule, genauso wie die Einteilung der Klassen, denn in diesem Schulgebäude befinden sich Grund- und Mittelschulklassen gemischt nebeneinander und jeder nimmt Rücksicht auf die Bedürfnisse des anderen. Wenn zum Beispiel eine Klasse Schularbeit hat, ist die Klasse daneben angehalten sich auf den Gängen während der Freiübungen ruhig zu verhalten.
Früher, so wurde mir berichtet, gab es eine eigene Schulbibliothek im Gebäude, aber nachdem diese zweimal umgesiedelt wurde, hatte man beschlossen alle Bücher in die Bücherei zu bringen. Wöchentlich gehen nun die Klassen in die Stadtbücherei „St. Michael“, um sich ein Buch auszuborgen. Spiele und CD´s dürfen jedoch nur mit der privaten Lesekarte ausgeborgt werden.
Am Ende der Führung war ich überwältigt von den tollen Möglichkeiten an Bildungsangeboten in der Schule.
Später wurde ich abgeholt, um die Bücherei zu besuchen. Im ehemaligen Schulgebäude befinden sich nicht nur die Stadtbücherei, sondern wird diese auch für die Mittagsbetreuung, einen Teil der Ganztagsschule und für diverse Freizeitangebote genutzt. Das Gebäude steht gegenüber der Schule und ist über den Pausenhof, welcher übrigens ein besonderes Highlight der Schule ist, verbunden. Die Schulturnhalle mit integriertem Schwimmbad grenzt das Areal zur Straße hin ab. Die beiden Musikvereine können die Räume der ehemaligen Grundschule ebenfalls mitbenutzen.
Ursprünglich als Pfarrbücherei geführt wurde sie bereits Ende des 19. Jahrhunderts erstmals erwähnt. Seit 2005 ist die Bücherei eine Kooperationsbücherei zwischen der Stadt und den beiden Pfarren (kath./evang.). Derzeit betreuen 15 ehrenamtliche Damen und 2 Herren die Bücherei. Die Öffnungszeiten am Nachmittag richten sich an die 597 Leser (MO: 18.30-19.30 Uhr, Mi und Sa: 16.00-18.00 Uhr). Die Schulentleihe findet jeden Dienstag von 8.00 bis 13.00 Uhr statt. Zusätzlich hat die Förderlehrerin einen Schlüssel und nutzt die Bücherei flexibel für Einzelförderstunden.
Wie viele Büchereien, platzt auch diese aus allen Nähten und daher hat man kurzerhand begonnen, weitere Räume der ehemaligen Schule zu adaptieren. Dieser Umbau findet derzeit statt und so zieren braune Pappwände den Eingangsbereich zum zukünftigen Übergang zu den weiteren Räumlichkeiten. Die Fläche der Stadtbücherei wird von derzeit 70m2 auf 160m2 erweitert. Der Kinder- und Jugendbereich wird verdoppelt und im Übergang zur Belletristik entsteht ein Lesecafé.
Am Ende meiner Besichtigung konnte ich viele Gemeinsamkeiten entdecken. So ist es nicht verwunderlich, dass die Stadtbücherei „St. Michael“ unter der Leitung von Frau Doris Baumann und die Öffentliche Bibliothek Grafenwörth eine Partnerschaft planen. Wir freuen uns über die gegenseitige Zusage. Im April 2023, bei einem weiteren Besuch in Bayern, geht es in die Detailplanung der neuen „Ehe“.
Mit viel Wissen und neuen Ideen im Gepäck beschreiten wir die Heimreise in Etappen. Der erste Stopp war schon nach wenigen Kilometern geplant: der Steinberger See mit seiner weltgrößten begehbaren Erlebnisholzkugel. Mit ihren 40m Höhe und einem Durchmesser von 50m darf man keine Höhenangst haben, um sie zu besteigen. Der Abstieg wird einem durch eine vorhandene Rutsche erspart. Burglengenfeld war unser nächstes Ziel. Hier übernachteten wir am Stellplatz beim Festgelände. Am nächsten Morgen ging es nach Regensburg. Die große Altstadt in Regensburg ist echt ein Highlight für Reisende. Ob der Dom oder das Schottenportal, die schmalen Gassen oder der Bismarckplatz, entspannen am Donauufer mit der Steinernen Brücke oder sich vom Schloss Thurn und Taxis verzaubern lassen, hier findet jeder etwas.
In hoher, die umliegende Landschaft beherrschender, Lage erhebt sich nahe bei Regensburg die Walhalla über der Donau. Mit diesem klassizistischen Bau in Gestalt eines von Säulen umgebenen Tempels, welcher hier im Auftrag des bayrischen Königs Ludwig I. gebaut wurde, verabschieden wir uns von dieser großartigen Reise nach Deutschland. Mit vielen Eindrücken fahren wir die letzten drei Stunden entlang der Donau gemütlich nach Hause, um das Erlebte aufs Papier zu bringen und mitgebrachte Ideen umzusetzen.